Definition und Einteilung
Bei einer Fissur handelt es sich um einen Schleimhautriss im Bereich des
Afters. Üblicherweise findet sich diese Fissur gegen das Steissbein hin,
seltener nach vorne gegen die Genitalien. So gelegene Fissuren nennt man
typische Fissuren. Liegt eine Fissur an einer anderen Stelle
vor (zum Beispiel an der Seite des Afters) oder an mehreren Stellen
gleichzeitig, so handelt es sich um atypische Fissuren.
Von einer akuten Fissur spricht man, wenn der Schmerz
weniger als 6 Wochen besteht und klinisch die typischen Zeichen einer bereits
lang andauernden Fissur fehlen. Solche Zeichen sind zum Beispiel eine Hautfalte
in Verlängerung der Fissur und sichtbares Narbengewebe. Besteht der Schmerz
länger als 6 Wochen und findet sich eine Hautfalte (sog. „Wächtermariske“)
aussen am Riss und Narbengewebe im Bereich der Fissur, so handelt es sich um
eine chronische Fissur. Häufig findet man auch eine kleine
Gewebsvermehrung (Polyp) am inneren Ende der Fissur (sog. Analpapille).
Die Unterscheidung zwischen einer akuten und einer chronischen Fissur ist für
die Therapie entscheidend!
Ursachen und Symptome
Als Ursache liegt meistens ein harter Stuhlgang bzw. eine chronische
Verstopfung einer Fissur zugrunde. Harter Stuhlgang kann zu einer
übermässigen Dehnung des Afters und zum Einreissen der Schleimhaut führen.
Dieser Riss führt zu Schmerzen, was eine Verkrampfung des Schliessmuskels zur
Folge hat. Dieser Schliessmuskelkrampf führt bei erneut hartem Stuhlgang zu
einem erneuten Einreissen der Schleimhaut. Der anale Schmerz führt ebenfalls zu
einem Vermeidungsverhalten bezüglich dem Stuhlgang, was das Eindicken des Stuhls
fördert bez. hartem Stuhlgang Vorschub leistet. Somit befindet sich der Patient
in einem ‚Teufelskreis’. Bei solchen Fissuren, welche durch eine Verstopfung
ausgelöst werden, sprechen wir von primären Fissuren.
Liegt
jedoch eine andere Erkrankung vor, welche mit analen Fissuren vergesellschaftet
sind, spricht man von sekundären Fissuren. Zu diesen
Erkrankungen gehören beispielsweise die Syphillis oder AIDS.
Die Hauptsymptome der analen Fissur sind der
Schmerz und die Blutung. Beim Schmerz handelt
es sich typischerweise um einen lokalen, sehr starken stechenden Schmerz,
welcher vor allem beim Stuhlgang auftritt und 1-2 Stunden danach anhält. Die
Blutung ist oft spritzend und das Blut hell.
Nicht-chirurgische Therapie
Einleitend muss gesagt werden, dass eine nicht-chirurgische
(konservative) Therapie vor allem bei der akuten Fissur eine komplette Heilung
verspricht. Die konservative Therapie einer chronischen Fissur
zeigt lediglich eine Erfolgsrate von ca. 40%! Bei chronischen Fissuren
ist die chirurgische Therapie die Therapie der Wahl! Trotzdem kann je nach
Leidensdruck zunächst auch bei chronischen Fissuren eine konservative Therapie
versucht werden. Konservative Therapiestrategien können aber nach einer
chirurgischen Therapie unterstützend eingesetzt werden.
Stuhlregulierende Massnahmen
Die Basistherapie für jegliche Behandlung einer Fissur sind stuhlregulierende
Massnahmen. Die Umstellung der Ernährung stellt hier einen wesentlichen Teil der
Behandlung dar: Um einen geformten, weichen Stuhlgang zu erzielen, empfehlen wir
ballaststoffreiche Ernährung sowie die Erhöhung der täglichen Trinkmenge auf 2
bis 3 Liter. Unterstützend sollten Flohsamen (z.B. Metamucil® 1-3
Kaffeelöffel/Tag) und milde Abführmittel (Movicol® Sachets 1-2/Tag, alternativ
Transipeg® forte 1-3 Sachets/Tag) eingesetzt werden. Bei einer sorgfältigen
Nachkontrolle ist nur eine Heilungsrate von 60 bis 70 % zu erwarten.
Nitroglycerin-Crème 0.2%
Eine deutliche Verbesserung der konservativen Therapie der Analfissur hat die
Einführung der Nitroglycerin-Crème gebracht. Die lokale Anwendung von 0.2 %
Nitroglycerin-Crème, die zwei- bis dreimal täglich aussen am After aufgetragen
wird, führt zur Verminderung des Schliessmuskeldruckes (um ca. 20-30%) und
dadurch zur Erhöhung des Blutflusses im Bereich der Fissur. Diese beiden Effekte
resultieren in einer Schmerzfreiheit innerhalb von wenigen Tagen nach
Behandlungsbeginn und einer hohen Abheilungsquote von bis zu 80 % nach acht
Wochen Behandlung (bei der akuten Fissur!). Zu beachten ist, dass die
Konzentration der Nitroglycerin-Crème wirklich 0.2% und nicht – wie
handelsüblich - 2% beträgt! Die Folge könnten vermehrte Kopfschmerzen und lokale
Hautirritationen sein. Jedoch können Kopfschmerzen auch bereits bei einer
Konzentration von 0.2% Nitroglycerin auftreten; die Therapie muss deshalb häufig
unterbrochen und auf alternative Therapien (z.B. auf Nifedipin-Crème 0.2%)
ausgewichen werden.
Nifedipin-Crème 0.2%
Nifedipin-Crème 0.2% kann alternativ zu Nitroglycerin-Crème eingesetzt
werden. Die Wirksamkeit ist vergleichbar bei jedoch weniger Nebenwirkungen
(insbesondere weniger Kopfschmerzen). Nifedipin-Crème 0.2% wird wie
Nitroglycerin-Crème 3x/Tag auf den After äusserlich aufgetragen. Diese Therapie
zusammen mit stuhlregulierenden Massnahmen stellt die Therapie der Wahl bei der
Behandlung von akuten Fissuren an unserer Klinik dar.
Botulinumtoxin Typ A (Botox)
Als neue Therapieform hat sich die Injektion von Botulinumtoxin Typ A in den
Schliessmuskel etabliert. Das starke Nervengift bewirkt eine zeitlich begrenzte,
unvollständige Schliessmuskellähmung, damit kann der Schliessmuskelkrampf rasch
aufgehoben werden. Die Injektion von Botulinumtoxin Typ A wird beidseits der
Fissur vorgenommen und braucht keine spezielle Vorbereitung und keine Narkose.
Die Schwächung des Schliessmuskels hält etwa 3 Monate an und erlaubt
zwischenzeitlich in über 80 % der Fälle die Abheilung der Fissur. Der Nachteil
dieser Therapie ist zum Einen, dass sie nicht kassenpflichtig ist, d.h. der
Patient muss mit einer Kostenbeteiligung von etwa 150 SFr. rechnen. Andererseits
ist die bessere Wirksamkeit von Botulinumtoxin Typ A gegenüber der deutlich
billigeren lokalen Salbentherapien mit Nitroglycerin 0.2% oder Nifedipin 0.2%
wissenschaftlich nicht erwiesen. An unserer Klinik verwenden wir deshalb
Botulinumtoxin Typ A nicht als Therapie bei der akuten Analfissur. Wohl aber
scheint Botulinumtoxin Typ A einen Stellenwert in Kombination mit chirurgischen
Verfahren zu haben in der Behandlung der chronischen Fissur. Dies konnte in
einer von unserer Gruppe kürzlich publizierten Arbeit gezeigt werden.
Chirurgische Therapien
Die chirurgische Therapie stellt die Therapie der Wahl bei chronischen
Fissuren dar. Verschiedene Operationen kommen bei chronischen Fissuren zur
Anwendung.
Interne Schliessmuskeldurchtrennung (Laterale
Sphinkterotomie)
Diese Operation war lange der Standard in der Behandlung der chronischen
Fissur. Die teilweise Durchtrennung des inneren Schliessmuskels, erstmals 1951
durch Dr. Eisenhammer beschrieben, hat die Unterbrechung des
Schliessmuskelkrampfes zum Ziel. Obwohl dieses chirurgische Vorgehen sehr gute
Resultate und äusserst wenige Rückfälle hervorgebracht hat, sollte dessen
Wirksamkeit gegenüber dem Risiko einer dauerhaften Stuhlinkontinenz abgewogen
werden! Neuere Daten zeigen eine Inkontinenzrate für Stuhl von 20 bis 30 % der
Fälle! Die Inkontinenz zeigt sich typischerweise erst nach 10-20 Jahren nach der
Operation! Unserer Ansicht nach sollte diese Operation nur noch dann
durchgeführt werden, wenn andere chirurgische Verfahren sich als unwirksam
herausgestellt haben. In diesem Fall sollte aber die Durchtrennung des
Schliessmuskels sehr sparsam durchgeführt werden (Durchtrennung von lediglich
etwa 5mm des Schliessmuskels). An unserer Klinik wird diese Operation nur in
Ausnahmefällen durchgeführt.
Fissurreinigung (Fissurdébridement) Die Fissurreinigung bzw. das Fissurdébridement hat zum Ziel, alle Faktoren zu beseitigen, die die Heilung der Fissur behindern könnten. Hierzu gehören das vorhandene Narbengewebe, die meist vorhandene Wächtermariske am äusseren Ende und die vergrösserte Analpapille am inneren Ende der Fissur. Wichtig dabei ist das Ausschneiden der Fissurränder nach aussen gegen die Haut hin, sodass eine nach aussen gerichtete Wunde (in der Haut) entsteht. Dieses sog. ‚Drainage- dreieck’ ermöglicht es, dass Wundsekret vom Operationsgebiet bzw.von der Fissur nach aussen ablaufen kann. Dies ist für die Wundheilung ein entscheidender Faktor. Dieses Dreieck sollte genügend gross sein, in der Regel etwa 1-2 cm. Die Wunde heilt in der Regel in 4 bis 6 Wochen vollständig aus. Das Fissurdébridement ist in unserer Klinik die Therapie der Wahl in der Behandlung der chronischen Fissur. |  Fissurreinigung mit Ausschneiden der Fissurränder
|
Deckung der Fissur mit einem Hautlappen
(V-Y-Lappen)
Beim V-Y Flap handelt es sich um eine Abdeckung des Risses mit einem kleinen
Hautlappen aus der Analregion. An unserer Klinik führen wir diese Operation
meist nach einem Fissurdebridement durch, das nicht zum Abheilen der Fissur
geführt hat. Bei dieser Behandlung ist es entscheidend, dass nach der Operation
ein weicher Stuhlgang besteht. Deshalb ist die Einnahme von Stuhl-regulierenden
Mitteln (Flohsamen: z.B. Metamucil® 1-3 Kaffeelöffel/Tag) und milde Abführmittel
(Movicol® Sachets 1-2/Tag, alternativ Transipeg forte® 1-3 Sachets/Tag) nach der
Operation verfügbar.

V-Y Flap: Abdeckung eines Risses mit einem
Hautlappen